Schlussmachen lässt sich heute auf vielerlei Art – auch mit dem Chef! Während frustrierte Mitarbeiter früher dem Chef ein wutschnaubendes „Ich kündige" über den Schreibtisch riefen und im nächsten Schritt die schriftliche Bestätigung nachlieferten, scheinen nun ganz andere Mittel und Wege im Fokus zu stehen: Die Fälle, in denen unzufriedene Mitarbeiter per Videoclip "Ade" sagen, mehren sich:
Eine Nachrichtensprecherin kündigt live im Radio (Oslo, 2010), ein Hotelangestellter verabschiedete sich mit einer ganzen Blaskapelle (Providence, 2011) und vermehrt werden soziale Netzwerke wie Youtube, Facebook und Twitter zu DER Plattform für alle, die ihr Adieu auf ungewöhnliche Weise präsentieren wollen.
Die "Mutter aller Kündigungen per Video" ist wohl der Abschied von Maria Shifrin, einer 25-jährigen Videoautorin, die ihren Job – genauer: ihren Boss – mehr als satt hatte. Sie störte sich vor allem daran, dass ihr Vorgesetzter sie nur noch nach der Klickzahl ihrer Video-Reportagen im Online-Chanel und kaum mehr nach der Qualität der Inhalte beurteilte. Viele Klicks = gutes Mädchen, wenige Zugriffe = Versagerin ...
Maria war es – verständlicherweise – leid, und so ging sie um vier Uhr morgens mit ihrer Kamera in das leere Büro, tanzte über Tische und Stühle und postete ihr Abschiedsvideo anschließend – untermalt von Kanye West's „Gone" – in Youtube.
Das Ergebnis: Über vier Millionen Mausklicks bereits vier Tage nach der Veröffentlichung – und ein neuer Job. In diesem Fall war die Video-Kündigung nämlich weniger ein Racheakt am alten, sondern auch ein Empfehlungsschreiben an zukünftige Arbeitgeber. Emotional, selbstironisch, höchst kreativ.
FUNKTIONIERT DAS AUCH IN DER KANZLEILANDSCHAFT?
Anwaltskanzleien gelten im Großen und Ganzen als zuverlässige Arbeitgeber. An vielen Stellen wird von Anwälten und Assistentinnen sehr viel und zudem höchster Einsatz verlangt. Aber es gibt doch tatsächlich Kanzleien, die nicht nur ihre Anwälte, sondern auch ihre Assistentinnen umsorgen (Wenn ihre Kanzlei nicht dazu zählt, sollten wir uns kennenlernen).
Ich zolle Maria Respekt. Jedoch ausschließlich für den Mut, den es für diese Art der Kündigung brauchte. Ihre Videobotschaft zum Thema Kündigung harmoniert perfekt mit der Branche, in der sie tätig ist.
Aber: Die Rechtsberatung ist keine Unterhaltungsindustrie. Falls Sie als Kanzlei-Mitarbeiter darüber nachdenken, Ihren Arbeitgeber „à la Maria" zu wechseln, raten ich Ihnen dringend davon ab! Bedenken Sie bitte, dass Sie mit Ihrer Unzufriedenheit vermutlich in der Minderheit sind (sonst gäbe es die Kanzlei bereits nicht mehr), mit Ihrer Online-Kündigung aber eine Aussage über das gesamte Unternehmen treffen. Ein solch triftiger Videogruß könnte in harmlosen Fällen lediglich zur Belustigung der Belegschaft führen, schlimmstenfalls aber Ihrem Arbeitgeber einen riesigen Image-Schaden zufügen. Die Arbeitsrechtler wissen es genau: Rufschädigung stellt sogar eine Straftat dar!
Während sich Marina mit ihrem Video-Hit indirekt für einen Job empfahl, dürften für Sie nach einer öffentlichkeitswirksamen Kündigung die Kanzleitüren für immer verschlossen bleiben. Keine Kanzlei will Mitarbeiter beschäftigen, die interne Probleme dermaßen öffentlich machen.
GEKÜNDIGT WIRD HEUTE ...
... aus vielerlei Gründen. Häufig wünschen sich die Mitarbeiter ein neues Tätigkeitsumfeld, nehmen eine neue Stufe auf der Karriereleiter oder sie erhoffen sich von dem Wechsel einen Gehaltssprung. Nicht selten sind es auch – wie bei Maria - zwischenmenschliche Probleme, die sich hochschaukeln und letztlich zur Kündigung eines Mitarbeiters führen. Zu Letzterem ist meine Erfahrung aus Gesprächen mit Kanzleimanagern und -mitarbeiter, dass sich Kündigungen durchaus vermeiden lassen, wenn die Probleme rechtzeitig und auf sachliche Art und Weise angesprochen werden. An einer Beziehung muss gearbeitet werden. Das gilt nicht nur zu Hause. Über das Miteinander in der Kanzlei zu schreiben, würde ganze Kapitel füllen. Darauf gehe ich gerne in einem der nächsten Beiträge näher ein.
Am Anfang dieses Artikels stand die Frage, wie es sich mit einer Kündigung per Video in den Kanzleien verhält. Mein Fazit: Auch wenn es gute Gründe für die Kündigung gibt, sollte das ausschließlich eine Angelegenheit zwischen Ihnen und der Kanzlei bleiben. So attraktiv und bildhaft ein Kündigungsclip scheinen mag, so bleiben sie doch Angestellte innerhalb der Rechtsbranche und erinnern sich: Wie war das noch mit der Kündigung in Schriftform? Wenn eine berufliche Veränderung unausweichlich ist und Sie sich mit einer Kündigung beschäftigen, dann doch bitte korrekt und rechtskräftig – auf einem Blatt Papier, persönlich übergeben an Ihren Chef als Ihrem ersten Ansprechpartner.
Können Sie dem Reiz einer Videobotschaft dennoch nicht widerstehen, rate ich Ihnen, statt der Kündigungsbotschaft ein Bewerbungsvideo online zu stellen. Nachfrage ist Ihnen sicher! Herzliche Grüße, Ihr Nick Culas